Wie mich der Motorradvirus befiel

Das war mit 17, zum Entsetzen meiner Eltern. Dabei gibt es in der Familie durchaus eine Motorradhistorie: Mein Vater fuhr eine BMW R25 (was gäbe ich drum, wenn er die noch hätte!), meine Mutter war zumindest Sozia, selbst meine Großmutter fuhr nach dem Krieg Motorrad (offenbar eine Panther KS175, später einen mir unbekannten,  nach einem Unfall zur benzinbetriebenen Kreissäge umgebauten Roller). Da war es wirklich keine Überraschung, dass ich das auch wollte.

Natürlich wurde es damit nichts, solange ich minderjährig war. Als ich mit 19 aber nicht mehr zu bremsen war, dachten meine Eltern um und sagten sich "wenn schon, dann vernünftig" und unterstützten mich großzügig in Sachen Motorrad, Schutzkleidung und Führerschein, den ich wiederum nicht gerade zu ihrer Begeisterung noch während der Abiturprüfungen begann und fehlerfrei bestand - und das Abitur (nicht ganz perfekt) auch noch.

 

Meine erste Fahrstunde ist mir noch sehr lebendig in Erinnerung. Ein Übungsplatz Anfang April 2013, eine Daelim SV125 mit argen Startschwierigkeiten - 13 mal treten, bis sie lief und um Himmels Willen nicht abwürgen - und ein sehr geduldiger Fahrlehrer. Außerdem die schiere Begeisterung meinerseits. Wie fliegen, nur eben einen knappen Meter über dem Asphalt. Was konnte noch schöner sein? Ganz einfach, die erste Runde um die berühmt-berüchtigte Edersee-Randstraße mit der Fahrschul-Kawasaki ER-6N. Ich traute mir das weniger zu, mein Fahrlehrer war da anderer Meinung. Und er behielt Recht, hinterher war's einfach großartig und völlig intuitiv. Wobei ich aber auch ganz sicher nicht am Limit um die Kurven gebrannt hin, eher gegurkt, schätze ich.

 

Der Rest lief dann eher unspektakulär, wenn man von zwei dauerverregneten Autobahnfahrten und einer Nachtfahrt im Platzregen absieht. Das hätte echt nicht sein müssen, macht aber nichts.

 

Meine erste Maschine wurde eine Suzuki GSF650 Bandit, die letzte Luft/Öl-gekühlte mit Vergasern und die erste mit ABS. Zu letzterem würde ich jedem raten und ich werde so lange nach einem Weg zur Nachrüstung an meinen jetzigen Motorrädern suchen, bis ich einen gefunden habe. Mit dieser Bandit namens Ruby erkundete ich meine nordhessische Heimat, von Eiterhagen und Körle bis Wolfhagen und Altenhasungen und in alle anderen Richtungen sowieso, im Sommer wie im Winter, manchmal auch bei Nacht. Im Lauf der Zeit folgten eine Reihe kleiner Modifikationen - Sportauspuff, Heizgriffe (ordentlich unter dem Tank verlegt, dank des gleichen Menschen, der die Schwinge der XTZ in diesen quasi perfekten Zustand versetzt hat) und Stahlflexleitungen, außerdem bessere Reifen von Metzeler (auch hier, der Schwingenmensch).

Mit Ruby entdeckte ich auch meine Liebe zum Vierzylinder. Wie ein V8 im Auto. Fast immer Kraft da, nie nervige Vibrationen und ein bulliges Aussehen. Nur die hohen Drehzahlen mochte ich nie so recht, aber dagegen gab's später Abhilfe.

 

Da mir in meiner Naivität so gar nicht bewusst war, dass Vergasermaschinen gewisse Vorkehrungen brauchen und ich keine Ahnung vom Schrauben hatte, hatte Ruby nach einem ekligen und unfahrbaren Winter Jahre später Standschäden und ich verkaufte sie weiter. Zwei Wochen später bekam ich ein Bild aus den Dolomiten vom neuen Besitzer - es freut mich heute noch, dass sie ein gutes Zuhause gefunden hat.

 

 

 

 

Ruby, wie ich sie im Winter 2012/13 beim Händler abholte.

Für mich damals das absolut perfekte Motorrad. Was habe ich diese Maschine geliebt. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, mit ein paar Tagen Arbeit wären die Probleme behoben gewesen.

Lasst euch niemals von irgendeinem Händler erzählen, man müsse bei 17000Km die Ventile einstellen - darauf bin ich reingefallen, und hinterher lief sie wie ein Sack Flöhe. Da gehe ich garantiert nie wieder hin.

 

Gefahrene Kilometer: ca. 10000. Verkauft.

Meine weiteren Motorräder

Nach Ruby folgten noch weitere Maschinen, die ich nicht alle unbedingt lang gefahren bin. Aus heutiger Sicht waren das nicht alles kluge Entscheidungen, aber wenn man jung und ein bisschen leichtsinnig ist, neigt man zu solchem Blödsinn. Sollte ich je Gelegenheit zu einer Zeitreise haben, werde ich mich daran hindern, ganz ehrlich.

"Ist Q wie Qualle im Kennzeichen okay?" - damit hatte sie ihren Namen weg: Qualle, meine Harley Sporter Iron 883. Dank der Dame von der Zulassungsstelle.

 

Diese Maschine würde ich mir heute so nicht mehr kaufen. Ein schönes Motorrad, aber im Nachhinein brauchte ich sie einfach nicht und was Touren mit Freunden anging, war sie auch nicht wirklich geeignet. Bei 90Km/h waren solche Vibrationen im Lenker zu spüren, dass man Angst haben musste, alles würde auseinanderfallen - das bestätigte sich einmal, als die Lenkerklemmung sich löste.

Auch mit dem späteren 1200er Umbau und Anpassung der Getriebeübersetzung wurde da gar nichts besser. Außer vielleicht der Klang, dank einer Klappenauspuffanlage mit Eintragung. Am Ende waren das die Gründe, sie zu verkaufen: Erstens war sie kaum tourentauglich, zweitens so brutal laut, dass ich es selbst nicht mehr aushielt.

 

Käme ich heute nochmal auf die Idee, würde ich ihr deutlich mehr Schräglagenfreiheit, einen größeren Tank und eine vernünftige Übersetzung verpassen. Damit hätte diese Maschine wirklich gut sein können, in der Nachbetrachtung würde ich aber sagen, dieser Kauf und sämtliche Umbauten waren rausgeworfenes Geld.

 

Gefahrene Kilometer: ca. 3000. Verkauft.

Meine zweite unvernünftige Jugendsünde in Sachen Motorrad:

Eine Triumph Bonneville T120 Black.

 

Zum Niederknien und Weinen schön und endlich vernünftig motorisiert. Qualitativ machte sie einen extrem hochwertigen Eindruck und wirklich alles wirkte wie aus den 1960ern, bis hin zu den leicht zitternden Nadeln der Armaturen.

Letztlich war es unvernünftig, diese Maschine zu kaufen. Was aber noch unvernünftiger war, war, sie zu verkaufen, weil ich mit der labbrigen Bremse nicht zurechtkam, bei der bei jedem festeren Zupacken gleich das ABS das Lied vom Tod spielte und man mehr herumeierte als bremste und weil ich mit den Reifen, die im Kaufunger Wald jeder Spurrille hinterherrannten, alles andere als ein sicheres Gefühl hatte. Wäre nicht die Traktionskontrolle gewesen, hätte ich wirklich den Eindruck gehabt, ein antikes Motorrad zu fahren: Ordentlich Leistung, aber ein Fahrwerk, dass die Götter der Unterwelt in ihrer bösartigsten Stimmung erdacht haben mussten.

 

Aus heutiger Sicht würde ich mich selbst ohrfeigen, wegen solcher Lappalien ein Motorrad verkauft zu haben, dass so bildschön und in jeder Hinsicht ausreichend war, wie dieses. Der Verbrauch war gering, alle nötigen Infos im Cockpit vorhanden, die Qualität hervorragend, Reisetauglichkeit durchaus gegeben. Hätte ich etwas Weitblick besessen, hätte ich die Roaring Sixties (so nannte ich sie) behalten, ihr vernünftige Reifen, Bremsen und Federn spendiert und alles wäre wunderbar gewesen. Zu meiner Ehrenrettung: Nichts davon gab es zu diesem Zeitpunkt auf dem Markt. Die verbauten Pirelli Phantom Sportscomp würde ich jedenfalls schnellstmöglich wechseln.

 

Schade drum! Wer weiß, vielleicht finde ich in vielen Jahren nochmal eine.

 

Gefahrene Kilometer: ca. 1000. Verkauft. (verdammmich!)

Meine große Liebe:

Nachdem die Triumph verkauft war, musste was neues her, das stand fest. Reichlich uninspiriert besuchte ich unseren ansässigen Yamaha-Händler, auf Anraten meiner Freundin, die dort ihre MT07 MotoCage gekauft hatte.

 

Und da stand sie: Eine mattgraue XJR1300C der letzten Serie. Kleinerer Tank, Rennoptik wie bei den Bigbikes der 70er und 80er, endlich ein kurzes, nicht mehr endlos ausuferndes Heck und ein Motor wie aus Stein gemeißelt.

Da wars geschehen. Die oder keine, trotz reichlich Skepsis wegen des fehlenden ABS (Eines Tages werde ich das noch hinkriegen, wartet's ab!).

Auf einem Event des Händlers im schönen Dörfchen Hemeln - dessen am Fluss gelegene Gaststätte übrigens unbedingt zu empfehlen ist - hatte ich die Gelegenheit, eine baugleiche Maschine probefahren zu können. Auf einer mir unbekannten Strecke, im immer wieder einsetzenden Platzregen, mit einer Freundin von uns als Sozia.

Und was war das für ein Gefühl. Schon das Aufsteigen auf diese riesige Maschine mit diesem Triebwerk, dass angesichts aller modernen Regularien im Rausch erdacht worden sein musste - luft/ölgekühlt, gewaltig verrippt, breit wie zwei Motoren in anderen Maschinen, aber trotzdem muskulös und nicht übergewichtig wie beispielsweise eine Honda CB1300, die ich Jahre vorher probegefahren war.

 

Nach dem Anlassen spätestens hatte sie mich; dieses tiefe Grummeln und Dröhnen vergisst man nicht, wenn man es einmal gehört hat, davon bin ich überzeugt. Und die Kraft der Maschine auch nicht, so viel Drehmoment soll erstmal jemand finden. Es ist irrsinnig, wie der Motor anschiebt. Bei diesem Hubraum geht's dann wirklich aus allen Lebenslagen gewaltig vorwärts, da wird nicht zur Tat geschritten, sondern die Wand durchbrochen und eingestampft.

Und alles passte, auf dieser Probefahrt - die Bremsen, die ich auch später im Fahrsicherheitstraining nie an die Blockiergrenze treiben konnte, so schnell stand ich - das Fahrwerk, was nie ansatzweise überfordert wirkte und sich wunderbar einstellen ließ - da war einfach nichts, was nicht gut war.

 

So wurde es dann die, die ich im Schaufenster hatte stehen sehen. Meine "wilde Dreizehn". 

 

Ich liebe diese Maschine sehr. Ein Kollege beschrieb seinen Eindruck wie folgt, als sie das erste Mal auf dem Hof stand:

 

"Entweder, du hast einen winzigen Penis, den du kompensieren musst, oder einen riesigen, der standesgemäß chauffiert werden muss!

Das ist ein extrem männliches Motorrad!"

 

Meine Liebe zu dieser Maschine spiegelt sich auch in ihrer weiteren Geschichte wider, denke ich: Im April 2017, auf den Tag vier Jahre nach meiner ersten Fahrstunde, zerschoss ich sie auf dem Rückweg vom Fahrsicherheitstraining (oh die Ironie...) aufs allergründlichste. Sie ging mir völlig ungeplant aufs Hinterrad (das meine ich, wenn ich sage, das Drehmoment soll man erstmal finden) und bevor mein langsam verkalkender Verstand begriff, dass irgendwas mit dem Höhenmesser am Vorderrad ganz arg falsch war, sah ich schon die Funken fliegen, hörte das Krachen und spürte, wie ich ein ordentliches Stück über den Asphalt rutschte und mich drehte wie ein Kreisel.

Zurückhaltend formuliert würde ich sagen: Eine insgesamt äußerst unangenehme Erfahrung.

 

Von den eigenen ehemaligen Kollegen ins Krankenhaus gebracht zu werden, machte es natürlich nicht besser. Niemand wird gern sein eigener Patient.

Am Rande: Ich kam mit einem angebrochenen Steißbein, Prellungen an Lenden- und Brustwirbelsäule, Rippen, linker Hand, und rechtem Arm und Platzwunden am rechten Schienbein und Knie davon. Wochenlang konnte ich nicht länger als ein paar Minuten stehen, bevor die Schmerzen in meinem mittlerweile blau gefleckten und blutergußbedeckten Bein unerträglich wurden. Sitzen oder liegen war natürlich mit dem angebrochenen Steißbein auch nicht wirklich drin.

Die Wunde am Schienbein hinterließ eine Narbe, die Schmerzen an der Stelle werden wohl bleiben.

 

Ich habe das nur deshalb so glimpflich überstanden, weil ich eine komplette Kombi trug. Als Rettungssanitäter saß ich ja quasi an der Quelle für solche Unfälle, insbesondere ohne Schutzkleidung. Hätte ich keine getragen, wären die Verletzungen wohl deutlich schlimmer ausgefallen. Prellungen wären wohl Brüche geworden, von den zu erwartenden Ablederungen meiner Haut ganz zu schweigen. Ernsthaft: Mit dem Thema spielt man nicht.

 

Meine Maschine übrigens holte unser Händler trotz des Sonntags noch am gleichen Abend ab, nachdem er mit dem Fahrrad umgekehrt und 40 Kilometer heimgeradelt war. Wer tut das schon?

 

Die Schäden waren immens:

Gabel verbogen

Ein Federbein verbogen

Ein Rahmenfallrohr eingedrückt

Lenker verbogen

Kupplungshebel abgebrochen

linke Lenkerarmatur zerstört

Kennzeichenträger zerstört

Rücklicht und Blinker zerstört

Sitzbank gerissen

Auspuff angeschliffen

 

Die Sturzbügel hatten noch schlimmeres verhindert, allerdings auch den Rahmen eingedrückt.

 

Nachdem ich mich gerade an der Uni eingeschrieben und aus dem Rettungsdienst ausgeschieden war, brauchte ich ohnehin einen Nebenjob - so fing ich bei unserem Yamahahändler zu arbeiten an und konnte meine geschundene Maschine selbst reparieren. Das waren meine ersten wirklich eigenen Schraubererfahrungen. Danach wusste ich, zwei ganz linke Hände kann ich nicht haben, und wenn doch etwas schiefgeht, habe ich Kollegen und einen Chef, die mir helfen.

 

So fing meine zweite Leidenschaft an, das Schrauben, was letztlich zum Entstehen dieses Blogs führte. Gepaart mit der mangelnden Reisetauglichkeit (14,5l-Tank) und dem hohen Reifenverschleiß meiner XJR (3800km für einen Hinterreifen, bei gemäßigter Fahrweise).

 

 

 

Umbauten an meiner XJR:

stufenlos einstellbare Brems- und Kupplungshebel

Akrapovic-Auspuff

Lenkerendspiegel

Rizoma-Schutzblech vorne

Rizoma-Griffe

LED-Blinker

kurzer Kennzeichenträger

Sturzbügel

 

bisher gefahrene Kilometer: Ca >4000. Die habe ich noch und das soll so bleiben.